An Wunder muss man glauben
Para-Schwimmer Andreas Onea erzählt beim Wandern im Wienerwald über Schicksal und mentale Stärke, wofür er brennt, und was ihn beflügelt.
Als Andreas gerade einmal fünf Jahre alt war, veränderte ein tragischer Autounfall am 3. Mai 1998 mit einem Schlag alles. Der Großvater starb, die Eltern überlebten schwer verletzt, ihm selbst musste ein Arm amputiert werden. „Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich je einen Moment der Frustration hatte. Ich war wohl viel zu jung, um mir über solche Dinge Gedanken zu machen.“ Der Vater hingegen war es nicht. Er weinte bitterlich, als er aus dem Koma erwachte und sah, dass seinem Sohn nach dem Unfall ein Arm fehlte. Andreas meinte damals nur: „Papa, du brauchst nicht zu weinen. Ich bekomme jetzt eine Puppenhand und alles wird wieder gut.“ Es ist jene Zuversicht, jenes lebensbejahende Denken, das Andreas Onea bis heute begleitet: „Ich hätte tot sein können. Es ist schlichtweg ein Wunder, dass ich überlebt habe. Ich sehe mein Leben als Geschenk.“ Trotz des starken Willens und einer optimistischen Einstellung sollten schwere Zeiten folgen: Die Familie mit rumänischen Wurzeln war vor dem verheerenden Schicksalsschlag gerade dabei, in Österreich Fuß zu fassen. „Mein Vater verlor aufgrund der schweren Verletzung seinen Job. Ohne seine Muskelkraft hatten wir kein Einkommen. Da hat uns schon auch unser Glaube durch diese schwierige Zeit geholfen, uns Hoffnung und Mut gespendet.“
„Papa, du brauchst nicht zu weinen. Ich bekomme jetzt eine Puppenhand und alles wird wieder gut.“
„Die Voreingenommenheit muss weniger werden. Menschen mit Behinderungen müssen präsenter in der Medienwelt, im Sport, in der Wirtschaft und Politik werden."
Schwimmen als Therapie
Andreas selbst begann unmittelbar nach dem Unfall mit dem Schwimmen als Therapiesport. „Es faszinierte mich von der ersten Sekunde an, als ich sah, wie der damalige Paralympics-Medaillen-Gewinner, Thomas Rosenberger, neben mir trainierte und sich auf seine nächsten Wettkämpfe vorbereitete. Ich sah, wie ein Mensch mit Behinderung weltweit erfolgreich sein konnte, das motivierte mich enorm. Von da an begann mein Training. Dieser erste Kontakt mit Menschen, die ebenfalls mit einer Behinderung lebten, in einem positiv gestalteten Umfeld, war sicherlich prägend.“ Andreas lernte mit der Behinderung zu leben. „Ich glaube nicht an Zufälle. Ich denke, ich war auf das, was mir passiert ist, in gewisser Weise vorbereitet.“
Mit zwölf Jahren zum Staatsmeister
Seine Karriere im Schwimmsport verfolgte Andreas beharrlich. Mit neun Jahren startete er bei mehreren kleinen Wettkämpfen, die großen Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. „Mit zwölf wurde ich das erste Mal Staatsmeister in der Disziplin 100 Meter Brust. Mit 16 Jahren nahm ich als jüngster österreichischer Athlet an den Paralympics in Peking teil, wo ich den sechsten Platz belegen konnte. Ich jettete durch die Welt, war einer der schnellsten jungen Schwimmer im Behindertensport des Landes, das gab mir Halt.“ Ihn aus der Bahn werfen, das versuchten hingegen einige seiner Mitschüler. Da fielen im Pausenhof in sämtlichen Wort- und Witzkombinationen spitze Sätze über den „einarmigen Banditen aus Rumänien“. Heute sieht Andreas dieses Verhalten der Pubertät geschuldet. „Natürlich fragte ich mich damals: Dürfen die das überhaupt? Aber viel wichtiger war die Frage: Wie gehe ich damit um? Lasse ich es zu, dass mich das fertig macht oder stehe ich drüber?“ Abermals bewies er Willenskraft und lies die Worte an sich abprallen.
Kraft tanken im Wienerwald
„Mit 17 Jahren habe ich meine erste Bronze-Medaille bei den Europameisterschaften in Island gewonnen. 2013 folgte in Montreal Silber. Nun ist natürlich Gold bei den Paralympischen Sommerspielen 2021 in Tokio das nächste große Ziel für mich.“ Da Andreas ein unstetes Sportlerleben führt und enorm viel unterwegs ist, ist für ihn ein Heimathafen umso wichtiger. Um wieder aufzutanken für die nächsten großen Events, ist er viel in der Natur unterwegs und tankt Kraft beim Wandern und Spazieren gehen. Eine seiner Lieblingsgegenden ist das wildromantische Helenental im Wienerwald, natürlich darf auch sein Element, das Wasser, auf der Wanderroute nicht fehlen. Eine sehr reizvolle Gegend, die ihm die nötige Ruhe und Erholung garantiert, die er beim Sporteln und den Wettkämpfen oft gar nicht hat. Andreas schätzt aber allgemein die hohe Lebensqualität in Niederösterreich: „Es ist nirgendwo so schön wie hier. Diese Ruhe, diese Entspanntheit, die man etwa hier im Wienerwald, nur einen Katzensprung von der Weltstadt Wien entfernt, hat, ist etwas, das ich so auf der Welt noch nirgendwo gefunden habe.“
Klare Botschaft
Trotz seines aufregenden Lebens ist Andreas dankbar dafür, dass er tun kann, was er liebt. „Ich kann den Menschen zeigen, dass jeder Etwas finden kann, wo man zu den besten gehören kann, wenn man diszipliniert ist und reinhaut. Völlig egal, ob einem ein Arm fehlt.“ Neben seinem Erfolg im Leistungssport ist Andreas seit 2012 auch ORF-Moderator für das Behindertensport-Magazin „Ohne Grenzen“. Auch dort ist ihm vor allem eine Botschaft wichtig: „Die Voreingenommenheit muss weniger werden. Menschen mit Behinderungen müssen präsenter in der Medienwelt, im Sport, der Wirtschaft und Politik werden. Nur durch Sichtbarkeit erlangen wir Normalität. Denn es geht letztlich um die Leistung, die man im Leben und im Beruf erbringt, nicht um die Einschränkung, mit der man zu leben hat.“
Text: Sabine Ertl
Video, Audio und Fotos: Daniel Gollner
Zur Person
Andreas Onea hat bis dato neun Silber- und Bronzemedaillen bei Welt- und Europameisterschaften und eine Bronzemedaille bei den Paralympics gewonnen; 2008 hat er den Weltrekord über 50 Meter Brust auf der Kurzbahn aufgestellt. Seit Oktober 2012 präsentiert er alternierend mit Miriam Labus das Behindertensport-Magazin „Ohne Grenzen“ auf ORF Sport Plus.
Kontakt und Information:
Andreas Onea
Haydngasse 10
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