Mostviertler Kochkultur, Wolfgang Pillgrab

Mostviertler Kochkultur

Als Jugendlicher entschied sich Multitalent Wolfgang Pillgrab gegen eine Musikkarriere und für den Kochlöffel. Heute gehört der Juniorchef zu Österreichs innovativsten Spitzenköchen.

Mostviertler Kochkultur

„Die Verbundenheit zum Wirtshaus war schlussendlich größer als die eher vagen Vorstellungen einer musikalischen Karriere“

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„Die Zutaten müssen eine Geschichte erzählen. Wenn sie dann auch noch auf eine innovative Art zubereitet werden, ist das kulinarische Erlebnis perfekt“

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Kachelofen, bunte Tiffany-Fenster, stilvolle Tischkultur, helle Holzlamperie, alte Kupferstiche in schwarz-goldenen Rahmen an den Wänden: Die gediegene Einrichtung des Gasthofs Pillgrab „Zur Linde“ will zeitlich nicht so ganz zu Wolfgang Pillgrab passen. Der drahtige Jungwirt mit den verschmitzten Gesichtszügen und dem Zopf wirkt eher wie Anfang 20 als Anfang 30 und ein wenig so, als wäre er gerade aus dem Tonstudio gekommen. Kein Wunder, schließlich schwang er bereits mit vier Jahren erstmals die Drumsticks und ist noch heute Teil einer Progressive Rock-Formation – als Hobby versteht sich. Fast genauso wie Papa Johannes „Hans“ Pillgrab übrigens, der, neben seiner Tätigkeit als Wirt und Koch, Kundschaft auch gern klassisch am Klavier betört. Wolfgang hatte mit 15 schließlich die Wahl zwischen Musik und Gastronomie: „Die Verbundenheit zum Wirtshaus war schlussendlich größer als die eher vagen Vorstellungen einer musikalischen Karriere.“ 


Hotelfachschule in Krems, Praxis und Saison in Salzburg, dann in Vorarlberg. „So ganz habe ich mich damals mit dem Kochen nicht anfreunden können, aber mein Vater hat gesagt: Wenn du das Wirtshaus übernehmen willst, dann musst du Koch werden, denn ein Wirtshaus lebt von der Küche!“, erinnert sich Wolfgang. Erst ein Dreihauben-Betrieb in Linz überzeugte ihn endgültig. „Das Verdi war mit Sicherheit die härteste Zeit in meiner Ausbildung, aber danach habe ich gewusst: Diese neue, kreative Herangehensweise ans Kochen – das will ich machen!“ Es folgten Catering-Aufgaben in der Formel 1 sowie während der Fussball EM 2008, zum Schluss im Hotel Sacher in Wien. 2011 kehrte er schließlich wieder ins heimatliche Wirtshaus nach St. Valentin zurück, wo er heute gemeinsam mit seinen Eltern den Laden schupft.

Mostviertler Kochkultur

„Die Suche nach ausgefallenen Produkten aus der Region ist meine Leidenschaft“

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Die Linde gehört seit Jahrzehnten zu den fixen Wirtshaus-Größen im Mostviertel – nicht zuletzt dank Hans Pillgrabs Mix aus bodenständiger und kreativer Küche. Wolfgang möchte die Linie weiterführen, vielleicht die fantasiereichen Aspekte intensivieren und den Fokus noch mehr auf regionale Zutaten legen. „Die Bedürfnisse der Gäste sind anders geworden“, sagt der Juniorchef. „Die Leute wollen mehr über die verwendeten Produkte erfahren. Wo kommen sie her, wie werden sie gelagert, wie in der Küche verwendet? Die Zutaten müssen eine Geschichte erzählen. Wenn sie dann auch noch auf eine innovative Art zubereitet werden, ist das kulinarische Erlebnis perfekt!“ 

Wolfgang ist mit seinem Zugang ein Paradebeispiel für die kulinarische Aufbruchstimmung im Mostviertel, das seit Jahrhunderten von der Mostbirne geprägt wird. Der Most machte die Region nicht nur sehr wohlhabend, sondern auch einzigartig, denn nur hier wird vorwiegend die Birne statt des Apfels gepresst. Zwar verdrängten Flaschenbier, Mineralwasser und Kracherl den Mostkrug in der Nachkriegszeit, qualitätsbewusste Bauern verhalfen dem Getränk aber zu einer regelrechten Renaissance. So werden die meisten Moste mittlerweile sortenrein und nicht mehr „g’mischt“ angeboten. Darüber hinaus lassen sich Hersteller zu frischen Kreationen inspirieren: Der Mostello beispielsweise – ein Dessertwein der Destillerie Farthofer, oder ein 10 Jahre im Holzfass gelagerter Birnenbalsam-Essig vom Genussbauernhof Distelberger.

Lokalkolorit

Nicht nur die Mostbarone sorgen immer wieder für innovative Produktneuheiten. So brachte die Familie Lehner 2014 den ersten Mostviertler Spargel auf den Markt und das Trio Florian Irxenmayr, Patrick Fehringer und Karl Peterseil züchtet in Haag Wagyu-Rinder, die dank einer sehr feinen Marmorierung als erlesene Delikatesse gelten. „Die Suche nach ausgefallenen Produkten aus der Region ist meine Leidenschaft“, schwärmt Wolfgang Pillgrab. Oft kommen die Spezialitäten einfach zu ihm, wenn Stammgäste Bärlauch und Schwammerl aus den Auwäldern zu ihm in die Küche bringen oder Jäger ihr Wild. „Solche Lieferanten zu haben, ist unser schönstes Glück.“ 

Ein besonderer Moment war, als ein Hobbyfischer mit einem Flusskrebs in der Hand vor der Tür stand. „Kannst was damit anfangen?“, fragte er – „Mit einem nicht, mit hundert schon“, war Wolfgangs Antwort. Einen Monat später hatte er hundert Flusskrebse in der Küche. Alles Wildfang, nichts gezüchtet – ein Leckerbissen, den es sonst nur in Restaurants mit zwei Hauben aufwärts gibt. Und im Wirtshaus nur dann, wenn man wie Wolfgang Pillgrab fest in der Region verankert und trotzdem bereit ist, zu Höhenflügen abzuheben.


Text: Wolfgang Gemünd
Fotos: alle Doris Schwarz-König, außer Mostbirnen (c) Niederösterreich-Werbung/Stefan Fürtbauer

Kontakt

Die erste urkundliche Erwähnung des Hauses geht auf das Jahr 1882 zurück. 1908 wurde das Haus von Josef und Theresia Pillgrab erworben ist seit 1947 das Gasthof „Zur Linde“. Noch wird der Traditionsbetrieb von Heidi und Hans Pillgrab liebevoll als Hotel & Gasthof geführt, die vierte Generation in Person von Wolfgang Pillgrab steht schon in den Startlöchern.

Gasthof & Hotel Pillgrab
Wolfgang Pillgrab
Westbahnstraße 32
4300 St. Valentin
E-Mail: gasthof@pillgrab.at
Web: www.pillgrab.at

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